Von Lukas Oldani
Schuhe sind ein häufig diskutiertes Thema unter Läufern. Aber auch Nichtläufer sprechen mich oft auf meine Laufschuhe an. Fast jeder, der bei uns zuhause zum ersten Mal zu Besuch kommt, bleibt vor unserem Schuhregal stehen und fragt: «Mein Gott, wem gehören all diese Schuhe? Ich dachte ihr wohnt hier nur zu zweit!»

Die Schuh-Armada bei mir zuhause. 2011, damals war es noch einigermassen übersichtlich.
Die Schuh-Armada bei mir zuhause. 2011, damals war es noch einigermassen übersichtlich.

Es ist wohl wahr, dass vielen Läufern der zweifelhafte Ruhm anhängt, ihre Partnerinnen in Anzahl Schuhe zu übertreffen. Ich gestehe, ich bin hier keine Ausnahme. Liz hat sich nach anfänglicher Gegenwehr damit abgefunden, dass eine gewisse Menge an Schuhen zu meinem Kerngeschäft gehört. Auch ganz wichtig: diese Schuhe müssen für mich auch mehr oder weniger schnell zugänglich sein! Wie stark dieses Schuhchaos um sich greifen darf ist Stand der laufenden und anhaltenden bilateralen Verhandlungen.
Vor geraumer Zeit wurde der stetig wachsenden Menge an Schuhen ein Riegel geschoben. In die Enge getrieben und mit Argumenten ausgestochen blieb mir schlussendlich nur die Kapitulation und das Kleinbeigeben. Die Regel lautet: «Für jedes paar neue Schuhe, welches Du nach Hause schleppst, verlässt ein anderes Paar unsere Wohnung!» Klingt fair, ist es aber nicht! Denn das Problem dabei ist, dass ein Schuh nie ganz ausgetragen ist. Der Schuh stirbt quasi einen langsamen Tod. Für’s eigentliche Training total ausgelatscht, für den Müll aber bei weitem zu schade. Dazu kommt, und darüber haben wir noch gar nicht gesprochen, die emotionale Bindung die ein Läufer mit seinem Schuh eingeht.
Eine neue Lieferung ist eingetroffen.
Eine neue Lieferung ist eingetroffen.

Der Konflikt wurde gerade gestern Abend aufs Neue entfacht, als bei mir eine Sendung von vier Paar Schuhen für die kommende Saison eintraf. Infolge musste ich mich von vier alten Paaren trennen. Unter anderem auch von meinem grünen ASICS-Wettkampfschuh, mit dem ich den Marathon zum ersten Mal unter 2:30 lief. Dieses Erlebnis damals in Berlin gehört zu meinen intensivsten Lauferlebnissen überhaupt. Dieses grüne Ding ist ein Teil von etwas, das sich mit Geld nicht kaufen lässt. Tja, aber da musst Du halt durch! Ganz stolz habe ich die Schuh-gegen-Schuh-Vorgabe sogar übertroffen: für die vier neuen Schuhe habe ich fünf Alte entsorgt! Dass ich die letzten zwei Paar klammheimlich ins Schuhregal geschmuggelt habe, muss ja keiner wissen… Bei dieser Menge an Schuhen kann ohnehin nur ich den Überblick behalten. Die Gefahr, des Schummelns überführt zu werden, divergiert somit gegen Null. Aber das bleibt unter uns!
Aber ich muss vielleicht mal erläutern, weshalb ich mehr als einen Schuh benötige und nicht mit einem Paar auskomme. Ich unterscheide grob zwischen den folgenden Arten von Schuhen: normaler Dauerlauf, Tempodauerlauf und Intervalltraining, Traillauf, Bahnwettkampf (Spikes), Koordinationstraining (Barfussschuh), Laufen im Schnee, Wettkampfschuh für die Strasse, Hallenschuh. Für jede dieser Arten besitze ich einen oder mehrere Schuhe. Ich möchte an dieser Stelle keine Zahlen nennen, aber wie ihr seht, reicht eine Woche auch mit täglichem Training bei weitem nicht aus, um jeden einmal Gassi zu führen. Bei diesem Hintergrund widerspreche ich ja auch gar nicht, sollte jemand der Meinung sein, ich wäre nicht ganz dicht. Aber mein Gott, was soll ich machen? Ich kann ja auch nichts dafür!
Es gibt aber noch weitere Gründe weshalb Läufer, die sich die Schuhe drei oder mehrmals die Woche schnüren, mehrere solcher haben sollten. Die Abwechslung zwischen den verschiedenen Modellen soll uns ein Stückweit davor bewahren, zu sehr von einem bestimmten Support seitens des Schuhs abhängig zu sein. Ein letztes Argument für mehrere Laufschuhe ist das Folgende: Wie oben bereits angesprochen, latscht sich der Schuh immer mehr ab. Wann ist der richtige Zeitpunkt diesen wegzuwerfen? Wenn man immer im gleichen Stiefel über die Piste schlurft, fehlt einem der Vergleich. Läuft man verschiedene Modelle, spürt man den Unterschied und kann alte Modelle langsam austragen bis sie schliesslich unter dem wachen Auge des Partners über die Klinge springen müssen.
Trotzdem ist ein Schuh für uns in erster Linie etwas Unnatürliches. Ich für meinen Teil würde sogar so weit gehen und sagen, dass der Schuh dem Grundgedanken des Laufens widerspricht. Denn Laufen ist für mich der Inbegriff von Freiheit in seiner reinsten Form: Du brauchst dazu nichts; niemand schreibt dir vor wohin die Reise geht. Einmal hinter den Horizont und wieder zurück! Wir Menschen sind geboren zum Laufen, ich würde sagen Laufen ist unsere Bestimmung. Dass ich mich philosophisch an der unnatürlichen Fussbekleidung störe ist natürlich sekundär. Es ist aber auch physiologisch nicht sinnvoll immer die gleichen Muskeln zu entlasten und sich durch die Stütze, die einem der Schuh gibt, einen bestimmten Bewegungsablauf diktieren zu lassen. Und nebenbei gesagt tun dies auch die leichten Modelle, nicht so stark wie die dicken Brummer, aber trotzdem. Dies lässt sich aber weitgehend durchbrechen indem man unterschiedliche Modelle läuft. Der gewiefte Leser mag sagen: «Ja dann lass ich den Schuh halt ganz weg». Und in der Tat ist dies so dumm nicht! Es gibt eine ganze Subkultur in der Läufergemeinde, die das natürliche Barfusslaufen für sich neu entdeckt hat. Diese Idee bekam gerade in den letzten Jahren wieder neuen Aufwind, nicht zuletzt durch das sehr populäre Buch Born To Run von Christopher McDougall. Oft habe ich das Gefühl, dass sich diese Gruppe als die grossartigen Wiederentdecker des natürlichen Laufens sehen. Das ist natürlich Quatsch, denn unter den Leichtathleten wurde nach einem schnellen Bahntraining schon immer Barfuss auf dem Fussballfeld ausgelaufen. Meine persönliche Meinung zu dem dogmatischen Barfusslaufen: Ich für meinem Teil laufe auf über 95% meiner Kilometer auf unnatürlichen Untergründen, also Asphalt, Schotter, etc. Eine unnatürliche Fussbekleidung ist da in meinen Augen gerechtfertigt. Barfusslaufen tue ich so oft es geht. Im Sommer nach einem Bahntraining auf dem Fussballplatz. Oder mit meinen Five Fingers auf Schotter oder Asphalt (der Five Fingers ist ein minimalistischer Schuh der aus nichts mehr als einer Gummisohle und elastischen Obermaterial besteht).
Meine Five Fingers. Der "Barfussschuh".
Meine Five Fingers. Der «Barfussschuh».

Tja Schuhe… irgendwie ein leidiges Thema. Auf der einen Seite gehört es dazu, trotzdem würde ich es nicht als meine Leidenschaft bezeichnen. Ein Rennrad gehört zum Radsport wie die Fliege zum Kuhfladen. Ohne Rennrad keinen Radsport. Der Tennisspieler ist auf sein Racket angewiesen. Der Läufer braucht eigentlich nichts, wir könnten theoretisch auch nackig durch die Gegend laufen. Machen wir das Beste draus und bekleiden uns unten rum zumindest sinnvoll. Ob diese Materialschlacht gewisser Athleten sinnvoll ist sei aber mal dahin gestellt…

3 thoughts on “Die Plage mit den Schuhen

  1. Luki es gibt Abhilfe… Einfach für zwei Jahre auf Reisen gehen. Das hat die kritische Schuhmasse deutlich reduziert. Einen Schuh habe ich gekauft in Australien und im Lager waren zwei Trailschuhe, Ein «Barfussschuh», ein Leichtschu und ein Allerweltsschlappen. Und um es gleich zu sagen, ich ertappe mich ständig dabei dass mir nun gerade wieder der «Richtige» Schuh fehlt. Sogar LSVB Tempotraining hab ich schon mit dem Trailschuh gemacht. Und ein kleiner Tip für die Ausmusterungsphilopsphie daheim… Im Keller darf man ja die alten Laufschuhtrophäen lagern, wer schmeisst den den BERLIN Schuh weg? Ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage – viel zu viele Schuhe, es kommen ja noch Skischuhe, Langlaufschuhe, Wanderschuhe, Motorradstiefel, Radschuhe usw. dazu…

  2. Luki, gottlob -da dachte ich immer, dass ich alleine bin, mit diesem Problem …; ja: leider schafft man es nicht, die Schuhe, die man nicht mehr für’s Training anzieht, im Alltag aufzutragen. Ich habe einmal alle alten Schuhe in die Waschmaschine gesteckt und fein säuberlich in einen grossen Karton verpackt. Gelegentlich schaffe ich es nun, wenn ich oder Freunde in arme Länder reisen, das eine oder andere Paar mitzunehmen und dort zu lassen. Spannend, (aber mir peinlich) wie sich dort die Einheimischen darüber freuen…

  3. Hallo Luki!!
    Ich have bemerkt dass ich nicht allein bin…Ich habe viele Laufschuhe denen ich nicht mir trennen will…Dilema…
    Aber, was ist Deine Meinung nach Vibrams? Ich habe ein Paar mir gekauft und ich fand sie toll fürs Laufband. Die Schwerigheit für mich ist nur sie anzuziehen….

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