Herbstbummelbammel

Eine Expedition an den Rand der Erdscheibe

So stand es im Rundschreiben, die Teilnehmer machten sich darüber lustig – jedenfalls zu Beginn. Ausgangspunkt war Reigoldswil, zuhinterst im Fünflibertal (Hinteres Frenkental). Bereits nach fünf Minuten leuchtete allen ein, das wird kein gemütlicher Sonntagsspaziergang. Weil a) heute ist Samstag und b) sau steil, die Stimmung kippte von Hochmut in Richtung Skepsis. Weitere fünf Minuten Gekraxel und wir fanden uns in einer düsteren Schlucht wieder. Skepsis war mal, jetzt haben die Ersten Schiss. So Mitten im Urwald wurde uns allen klar, der Rand der Erdscheibe, weit weg kann der nicht mehr sein. Bis auf unseren Guide, alle orientierungslos.

Ein eingeborener Guide ist in diesem Territorium Vorschrift. Zuvor musste er die Gruppe auf dem Amt für Schlachtvieh- & Fleischbeschau, Epidemien und sonstige Misstände registrieren lassen. Damit die Berg- und Tal-Rettung weiss, wohin sie sicher nicht suchen geht, weil es da gefährlich werden könnte, falls wir auf dem Weg nach Louel (Lauwil, BL), der schönsten, aber letzten bekannten Siedlung im oberen Baselbiet, verschollen gesollt sein sollten. Es führt nur eine mehr oder minder befestigte Strasse nach Louel, nicht weiter, Sackgasse. Dann noch ein paar Pfade durch die Wildnis, wo unsere Route lang führt. Es gibt Vermutungen, Fremde sollen hier von den Eingeborenen schon mal gejagt, erlegt, gehäutet und gekocht worden sein, als Eintopf mit Wurzeln, Knollen und Pilzen, schön Lorbeer und Knoblauch mit dabei. Oder ungehäutet zum Räuchern aufgehangen, für den späteren Verzehr. Das sind aber nur Gerüchte, weil bis heute ist noch nie einer in die Zivilisation zurückgekehrt, um es zu bezeugen. Vor diesem Schicksal sollte uns unser Führer, so eine Art Michael J. «Crocodile» Dundee, bewahren. Ein Mann der Wildnis halt, ein Fährtenleser und der vor allem auch die Sprache der Eingeborenen beherrscht.

Das Ende der Welt ist nicht mehr fern

Das Ende der Welt ist nicht mehr fern

Früher war mal das ganze Baselbiet im Besitztum Basels. Das ganze Baselbiet? Nein, ein von unbeugsamen Oberbaselbietern bevölkertes Dorf, hörte nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Zur Zeit der 1650er-Bauernunruhen war das. Die Rädelsführer wurden von den Baslern verfolgt, gefangen, abgeführt und hingerichtet, oder auf die venezianische Galeere verbannt.

In den 1653er Wirren machten die Baselbieter gemeinsame Sache mit den Aufständischen der Kantone Bern, Luzern und Solothurn. Der ganze Aufstand wurde in der Schweiz innert 4 Monaten durch die Regierungstruppen unter dem Befehl der Obersten Werdmüller und Erlach niedergeschlagen und es folgte die Bestrafung der Rädelsführer. Über 170 Personen wurden gebunden in die Stadt abgeführt und verurteilt, davon sieben zum Tode und vor dem Steinentor geköpft. Isaak Detwyler und andere zu mehrjähriger Verbannung auf die venezianischen Galeeren verurteilt und gefesselt abgeführt. Der Gefangenenzug wurde bei Säckingen von österreichischen Bauern überfallen und befreit. Einige, wie Isaak Detwyler, kehrten in die Heimat zurück und wurden bis zur Begnadigung als ehr- und wehrlos erklärt. (Quelle: Werner Hug, Genealoge, Muttenz)

Von wegen österreichischen Bauern, brauchst dich nicht wundern. Auf der Salhöhe (Pass bei Aarau), zwanzig Meter neben der Bushaltestelle steht noch heute ein Grenzstein von Vorderösterreich. So wie Mitteleuropa einmal am Äquator lag, so lag Österreich einmal im Aargau. Ist leider historisch belegt.

1832 erklärten die Baselländer dann ihre Unabhängigkeit. Dies besiegelten sie 1833 noch kriegerisch. Dann war Friede. Aber das wissen bis heute noch nicht alle von den unbeugsamen Oberbaselbietern, die nie aufhörten den Eindringlingen Widerstand zu leisten, hinterm Urwald, am Rande der Erdscheibe.

Am 3. August 1833 rückte die städtische Streitmacht gegen das Baselbiet aus. Es herrschte dichter Nebel. Dabei verloren sich die Truppenteile aus den Augen, die vorne wussten wohin und ritten nach Osten. Die hinten wussten das nicht und zogen der Birs entlang Richtung Münchenstein. Die Basler Streitkräfte waren also stark geschwächt.
Derweil überliessen die Baselländer das Gelände den Baslern, die bis zur,  wider erwarten nicht verteidigten, Hülftenschanze vorstiessen. Allerdings fügten Baselländer Schützen aus guter Deckung den Angreifern erste Verluste zu.
Der Gegenangriff begann um die Mittagszeit und die Stadttruppen wurde verlustreich nach Basel zurück gejagt.
Verluste:
– Baselland 3 Kombatanten, 5 Zivilisten
– Basel 61 Kombatanten
(Quelle: www.altbasel.ch)

Ob der Meldeläufer, der 1833 den günstigen Wetterbericht vom Nebel, mit den darin umher irrenden Baslern, nach Louel trug, da ankam, ist nicht bekannt. Er wurde nie wieder gesehen.

Da war die Welt noch in Ordnung
Da war die Welt noch in Ordnung

 

Aber so ist das halt da. Es heisst bei denen:

  • Gut gekocht beugt Blähungen vor, abgehangen im Rauch bewirkt das Gegenteil.
  • Sie glauben viel CO2-Ausstoss sei nützlich, weil CO2 braucht es zum Betreiben der Bierzapfanlage.
  • Hier oben ist die SVP eine Linkspartei.
  • Ihr Lieblingszitat lautet: «Der Mann muss Herr sein in seinem Haus, so wollen Natur und Vernunft.» (Adolph Freiherr von Knigge)
  • Rechnen tun sie wie folgt: Ein halber Suff ist weggeworfenes Geld, also spärst Geld mit einem Vollsuff.
  • Chuck Norris fürchtet niemanden. Dann traf er Oberbaselbieter, seither rennt er davon.

Wir schleichen uns der eingepfählten Siedlung Louel von hinten an, weil wenn, dann lauern die Eingeborenen am Ortseingang auf. Da an der Strasse unterhalten sie einen ständig besetzten Hinterhalt, weiss unser «Crocodile Dundee». Derweil treffen wir unbehelligt bei seiner Hütte ein. Iris und Stefan erwarteten uns ungeduldig, denn sie wurden von Stammesmitgliedern festgehalten. Diese waren zwar im Voraus angewiesen, Stefan nicht zu räuchern, Iris nicht zu verkaufen und andere vom Stamm, die dieses Ansinnen nicht teilten, zu verscheuchen. Aber so richtig sicher, ob das klappt, war sich weder Iris, Stefan noch der Guide.

Zur Beruhigung gab’s Apéro. Dazu stellten wir uns in Igel-Formation auf und liessen die Umgebung nicht aus den Augen. Unser «Crocodile Man» buk an seiner Feuerstelle Käse- und Speckgipfeli. Käse aus Milch heimischer Kühe, die Vegetarier waren also auf der sicheren Seite. Aber die hochgelobten Speckgipfeli mit Speck aus eigener Jagd und Räucherung? Jetzt wird der einen oder dem anderen Teilnehmer beim Lesen übel. Sei’s drum, verspiesen ist verspiesen – Haupsache es schmeckte.

Du weisst jetzt, wie die da ticken und worauf sich unsere furchterfüllte Wandergruppe einliess. Die Manöverpause nutzten wir ausgiebig zur Stärkung, denn auf dem Weg vor uns liegt die Ulmet Höhe. Ein Pass den die Eingeborenen seit Urzeiten überquerten, um Handel mit den Schwarzbuben zu treiben. Hinter der Ulmet Höhe endet die Welt. Links ins Bogental oder gerade aus zum Nunninger Berg, da ist jenseits von Erdscheibe: das Schwarzbubenland. Nicht mal unser Guide traut sich da hin.

Auf der Ulmet Höhe beblickten wir den schneebedeckten Feldberg, die Vogesen und die Nebeldampfdunstwolke vom  Nebeldampfdunstwolkenkraftwerk Leibstadt. Nebel?

Nebel, das muss man sich mal vorstellen. Seit die Arche Noah auf Grund lief und Schiffbruch erlitt, das war übrigens nicht am Berg Ararat, auf der Ulmet Höhe war’s. Die Furche die ihr Kiel in die Böschung schrammte, sieht man noch heute… also, seit der Zeit, als Noah mit seiner Arche im Nebel auf Grund lief, gab es am Rheinknie im Hochsommer genau an einem einzigen Tag Nebel. Diesen Tag nutzten die Basler feige und hinterhältig, um von den Schwaden getarnt, gegen Liestal vorzurücken. So stand es in ihrem Drehbuch:

«… im Nebel ist es spielend einfach sich vor den Baselbietern zu verstecken.»

Dieses Manuskript fiel einem Landschäftler in die Hände, der in letzter Minute noch ein Korrektur anbrachte:

«… im Nebel ist es blinde Kuh spielend einfach sich vor den Baselbietern einander zu verstecken.»

Eine weitere Überlieferung besagt: «Die Basler benötigten einen ganzen  Tag, um nach Liestal zu marschieren. Den Rückweg rannten sie in einer knappen Stunde!» Und wir wissen jetzt, wieso man bis heute in Basel Nebel hasst, hingegen die Oberbaselbieter gerne benebelt im Wirtshaus zusammen sitzen.

Wir wollen weiter nach Brätzbl (Bretzwil, BL), nicht zu verwechseln mit Bämbl (Bennwil, BL), welches wiederum nicht mit Beibl (Beinwil, SO) zu verwechseln sei. Mit Louel, Brätzbl, Beibl, Bämbel beschäftigten wir uns ausgiebig und der orts- und sprachkundige Führer liess keine Möglichkeit aus, uns in der Sache zu korrigieren und abzumahnen.

Als man Brätzbl, Beibl, Bämbel langsam zu begreifen schien, liess der Guide unsere Nerven zusammenbrechen. Er setzte einen oben drauf und verkündete, das Dorf hinter dem Hügel rechts im Bild, hiesse nicht Liedertswil wie es auf der Ortstafel steht, sondern das sei der Tschoppenhof. Merke: Es heisst Louel, Brätzbl, Beibl, Bämbel! Aber man sagt immer «Der» Tschoppenhof – mit bestimmtem Artikel! Du gehst nach Louel, aber niemals nach Tschoppenhof. Sondern du gehst immer auf den Tschoppenhof. Das war zuviel, Annemarie, Christine und Dora fingen an zu heulen, auch andere kreischten oder rissen sich die Haare aus.

unten Louel, oben Titterten, links Reigoldswil unten Louel, oben Titterten, links Reigoldswil (Reig’dschwil), rechts hinterm Berg wäre Der Tschoppenhof

Auf dem Brätzbler Stierenberg vermeiden wir auf der äussersten Abbruchkante den Stutz ab dieser Welt, indem wir rechts weg bogen. Im Abstieg nach Brätzbl hebt sich die Stimmung allmählich. Auch weil niemand in der Gruppe Stich-, Hieb-, Pfeil- oder Bisswunden vorzuweisen hatte. Zudem, wir entfernen uns aus der Gefahrenzone.

Die  begleitenden Kampfhunde trugen ihren Teil zu unserer Unversehrtheit bei. So wirklich furchteinflössend sind diese Terror-Terrier zwar nicht. Sie wälzten sich vorzugsweise in halb verwesten Tierkadavern, frasen Pferdedung, wenn immer vorfügbar und anderes Zeug, wo ich zum Glück nicht weiss, was es war, sonst müsste ich beim Aufschreiben direkt auf die Tastatur drüber speien.

Echt, bei dem Terrierterror wurde mir schlecht, erbrechen war nicht der entfernteste meiner Gedanken. Gegenwürgen half. Dem uns mit Sicherheit im Hinterhalt beobachtende, eingeborene Fallensteller, dieser armen Sau, ging es sicher gleich – dem ist die Lust am Hunger vergangen. Er war dabei seinen Magen zu entleeren.

Kampfhund hoch Zwei
Terrierterror hoch 2

Wir erreichten Brätzbl in der Dämmerung. Lori, ein wohlgesonnener eingeborener Tavernenbetreiber empfing uns an der Tür. Danach kochte er Rahmschnitzel oder lecker Pilztoast, beiliegend Beilagen, zuvor Kürbis-Crème-Süppchen, hintendrein Coupe Dänemark. Das ist ein Dessert, es wird nicht aus erlegten Dänen zubereitet. Es war vorzüglich, der Pilztoast. Habe mich vorsichtshalber fürs fleischlose Menü entschieden, denn man kann sich hier nicht sicher sein, auf welchen Name der Schnitzel früher hörte.
Wem unterdessen der Appetit vergangen ist, den kann ich trösten. Pia schlug für nächstes Jahr eine Wanderung mit Orchideen-Exkursions auf die Hasenmatt ob Grenchen vor.

Typisch Pia halt, immer viel Intellekt und, oder Kultur mit dabei. Danach sollte sie auch den Bericht selber schreiben. Weil wenn ich das machen würde, wäre all ihr gut gemeinter Intellekt mitsamt Kultur für die Füchs’ gewesen – oder am Arsch, wie ich schreiben täte.

Schreiben Sie einen Kommentar