Langlauftrainingslager Pontresina

29. bis 31. Januar 2021

Link zum Fotoalbum

Weil ich verletzungsbedingt verletzt bin, kann ich wenig über sportliche Missgeschicke aussagen. Ich war zu weit weg vom Geschehen. Es folgt eine Zusammenfassung des Drumherums, des nichtsportlichen, dem «unsportlichen» Teil des Langlauftrainingslagers. Aber auch hierbei gilt, Achtung vor Nebenwirkungen: frag deinen Arzt oder Apotheker, noch besser den Psychiater, bevor du weiterliest.

Sauwetter. Mörderisches Sauwetter ist das. Schneegestöber, in tieferen Lagen da schifft es in Strömen. Dauerregen mit Überschwemmungspotenzial, Hochwasser im Rhein, eine braune Brühe im Farbton Dünnpfiff gehalten. Ist fertig geregnet, fängts bald wieder aus dieser dicken Wolkendecke an zu schütten. Ein richtig mieses Wochenende. Das schreibe ich jetzt grad nicht für den gemeinen Leser auf, das steht hier exklusive für die Teilnehmer vom LSVB-Langlauftrainingslager. Die Sportler hier bei mir hatten nämlich keine geringste Ahnung nicht, wie euch im Flachland beim Wolkenbrechen die Nerven brechen und eure Stimmung unten im überschwemmten Keller am Abzusaufen ist.

Glaub nur, hier oben in Pontresina, wir hatten es auch nicht so lustig. Morgens trittst aus dem Hotel, ordnungsgemäss deinen Corona-Luftfilter vor der Fratze. Da treffen mich Blitze von Sonnenstrahlen, diewelchen selbigen millionenfach von Schneekristallen in meine Gosche reflektiert werden. Mich hauts rückwärts aus den neuen Wanderstiefeln, blind geblendet und winselnd zurück in die Rezeption. Mit Sonnenbrille traue ich mich ganz vorsichtig wieder ins Freie. Es soll drei Tage lang so dramatisch sonnenscheinen, derweil dem Rest von Schweiz vom schlechten Wetter schlecht wird.

Ab zum Skiunterricht. Corona-bedingt sind wir weniger Teilnehmer, doch brauchts einen Ski-Instruktor mehr. Das ist zwar teurer, andererseits geniessen wir den Genuss von einem Halbprivatskikurs. Besser gesagt, die geniessen. Ich darf nach meiner Schönheitsoperation noch nicht Sport treiben…
Die Schönheitsoperation fand am rechten Knie statt – wo anders gibt es bei mir bekanntlich nicht den geringsten Anlass dazu. Frag deine Frau, die kanns dir erklären.

Der Trainingsteilnehmer Fortschritte, dacht ich mir, die kontrolliere und bewerte ich vom Loipenrand aus und schreib alles im Nachhinein hämisch in die Maschen vom Internetz rein. Ein guter, ein durchdachter Plan, jedenfalls bis der Kurs begann und alle fuhren weg. Keine Freiwillige da, die ich hätte unlöblich erwähnen können.

Immer gut, die Übersicht haben! Grad ums Eck, beim Anmarsch zum Skischulsammelplatz, registrierte ich einen Glühweinstand. Also lauf ich ums Gebäude zurück zum Wirt wo der Wein glüht. Der kann was, ich merks beim ersten Schluck. Die Doppelstunde dauerte bis 16 Uhr. Drum um viertelvor schwanke ich wankend und so gerade wie möglich zum Sammelplatz und beobachte meine Sportbetreiber zurückkehren. Was ich da sah? Der Laie staunt – der Fachmann wundert sich. Die haben ja noch mehr Mühe mit des Gleichgewichts Kampf gegen die Erdanziehungskraft, als ich.

Beim Heimmarsch entdecken die Skilanglauflangläufer überrascht den Glühweinverkäufer, den sie eigentlich bereits vor zwei Stunden gesehen gehabt haben müssen hätten. Blöd kann ich auch, denk ich und tue auch so überrascht. So tun, nicht zu wissen, was ich längst weiss und nutze so die Situation gnadenlos aus, um, ohne Verdacht zu erwecken, erneut Glühwein zu bestellen.

Neuer Tag, neues Glück. Schaust aus dem Fenster, holst dir fast wieder den Sonnenbrand. Wetterbericht vom Rest der Schweiz ist immer noch widerwärtig, wir in Pontresina schützen uns, drinnen mit Atemmaske, draussen mit Sonngebrill, noch besser wär die Schweissbrille.

Ab zum Skikurs. Der Kampfsportler Gleichgewicht ringt bald wieder mit der Erdanziehung. Mir reichts noch, von dem was ich gestern beim Zusehen erleiden musste, drum geh ich marschieren. Vor einer Woche noch an Krücken gegangen, aber heut bin ich freihändig unterwegs. Das geht gut, fünf Kilometer. Nachmittags will uns Pia das Fex-Tal näherbringen, also nochmal wandern. Daria stellte die Präsenz von Running-Schuhen an Stelle meiner neuen und bei der Gelegenheit eigentlich adäquateren Wanderschuhe zur Diskussion. Wie sollte ich denn wissen, dass Ihre Knoblaucht, königliche Hoheit, Queen Pia die Zweitletzte, von Gottes Gnaden, das amtierende Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreiches Chrischona, Rührberg bis und mit Inzlinger Wasserschloss, Oberhaupt der LSVB-Gruppe V, dass die mit uns zum Bergsteigen geht. Immerhin, oben im Fex-Tal gibts einen aus der Zunft des Mundschenks von Pontresina. Wir kaufen Glühwein.

Nächster Tag. Schönstes Wetter. Langsam langweilig ist das. Ab ins Val Roseg. Die anderen mit Skiern, ich und mein Knie laufen. Gestern warens dann zwölf Kilometer, heut werden es auch so viel. Mein Knie und ich, ich bin mit ihm zufrieden. Aber man muss es mal in andere Relationen setzten.

11. Januar 1985, Freitag: Pirmin Zurbriggen gewinnt die Abfahrt von Wengen in Kitzbühel. So wars, die von Wengen in Kitzbühel. Tags darauf gewinnt er die Abfahrt von Kitzbühel in Kitzbühel. Der Beginn der Geburt einer Legende. Nicht der doppelte Gewinn der schwierigsten Abfahrt der Welt, Schranz, Heinzer, Feuz und ein paar andere schafften das auch schon. Grosses Aber! Auf dem Weg zum zweiten Sieg auf der «Streif» barst Pirmins Meniskus, drei Wochen vor den Alpinen Skiweltmeisterschaften war das. Doch die Legende Zurbriggen kam weder in Kitzbühel, noch in einem Kreisssaal zur Welt. Die Geburt wurde in der Rennbahn-Klinik in Muttenz eingeleitet. Getauft auf den Namen: «Das Knie der Nation». Sobald abends, drei Wochen lang jeden Abend, die Hauptausgabe der Tagesschau Bericht erstattete, waren die Strassen leergefegt. Die ganze Schweiz schaute um halb acht «Knie der Nation». Dann war Weltmeisterschaft. Das «Knie der Nation» fuhr in Bormio zum Abfahrtstitel. Dann war Legende.

Und das Knie meiner Nation ist auf dem Weg ins Val Roseg. Ich schreibe gerade dumme Sprüche für diesen Bericht in meine Gedanken rein, als mich Sandro und Felix, unsere Skilehrer, unterbrechen. Sie kamen auf der Loipe entgegen. Wir reden. Wir erzählen uns gegenseitig, wie gut wir sind. Wie toll wir sind. Wir sind die Besten. Dabei Treffens die beiden voll auf des Nagels Kopf, umgekehrt – aus meiner Perspektive – wars logischerweise Übertreibung. Ins Rosegtal hoch gibts keine Skating-Loipe. Drum, oben angelangt, treffe ich nur die LSVB-Klassiker. Dann gehen wir rüber zum Restaurant um glühzuweinen.

Wer soweit las und dabei nicht den Verstand verlor, hat Nehmerqualitäten, keine Frage (Gefahrenhinweise siehe Einleitung). Dafür bekommst du zum Schluss noch eine wohlverdiente, sachliche, administrative Information. Diese Langlauftrainingstage zu organisieren ist alle Jahre wieder eine Freude. Tolle Sache, tolle Leute, unkompliziert und mit Begeisterung dabei sind die. Grosses merci den Teilnehmern. Ganz speziell ist Sandro zu danken, ein guter Instruktor und durch ihn sparen wir 400 Franken Skikursgeld.

Nachteil: Dieser Anlass wird nicht öffentlich ausgeschrieben. Die meisten bisherigen Teilnehmer krallen sich gleich wieder ein Zimmer fürs folgende Jahr. Die letzten drei, vier Plätze gehen unter der Hand weg, gemäss Warteliste. Willst auch mit, meldest dich bei mir im Training und ich schau, was sich machen lässt. Versprechen kann ich nichts und auch nicht hexen. Wobei das ändert schnell, wenn mir Glühwein ausgibst. Dann verspreche ich alles. Dann kann ich hexen wie Sau. Und du, du hast die definitive Zusage fürs nächste Jahr. Mit Bier funktioniert natürlich genau so.

Viele Probleme lösen sich so. Kannst Ihre Knoblaucht, königliche Hoheit, Queen Pia die Zweitletzte, von Gottes Gnaden, das amtierende Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreiches Chrischona, Rührberg bis und mit Inzlinger Wasserschloss, Oberhaupt der LSVB-Gruppe V fragen. Die gibt mir im Fex-Tal einen Glühwein aus und schon stand sie auf der neuen Meldeliste drauf.

Corona-mässig war alles viel einfacher wie gedacht. Weniger Gäste im Hotel, drum immer viel Platz. Immer schön mit Abstand unterwegs. Gegessen wird am 4er-Tisch. Dabei nervt Daria. Besser gesagt, ihr Brilliant-Ring. Schmuck und Edelsteine, Männer sehen sowas nicht. Ich bin Mann. Ich seh das nicht. So! Aber Graziella ist kein Mann. Und schon bin ich unmittelbar, ungewollt, unschuldig in der Diskussion der Diskussionen drin. Es ist immer das gleiche, seit Adam und Eva. Damals, das war der Apfel nicht, die wollte Schmuck – des Teufels Zeug, teuer, unnötig.

Die Eva in Graziella: «Oh!», «Oooh!», «Schau!», «Daria!», «Oooooooh!». “Wie das funkelt!».
Rutscht mir den Buckel, mein Name beginnt nicht mit «A» wie Adam, das ist ein «A» wie Andy. Das Zwiegespräch beende ich folgendermassen: «Du hast einen Verlobungsring. Der war nicht teuer, muss aber ausreichen.»

Dabei spielen auch Sicherheitsaspekte eine Rolle. Anstatt in Schmuck, die paar tausend Franken werden besser in Bereifung und Fahrwerk vom Auto investiert. Das wirkt sich direkt auf die Fahrdynamik und somit indirekt auf die Fahrsicherheit aus, was sich wiederum indirekt auf die Gesundheit der Beifahrerin mit ihrem nichtvorhandenen Schmuck auswirkt.

Das heisst: Frau ohne Schmuck lebt gesünder!

Von gesünder leben zu gesünder frühstücken. Damit nicht zu viele Gäste gleichzeitig anwesend sind, gibts fürs Frühstück drei Startblöcke. Um sieben, um acht und um neun Uhr kannst dich einschreiben. Ihre Knoblaucht Königin Pia ist immer um sieben beim Essen. Ich logischerweise im letzten Startblock ab halb 10, wenn die Queen längst den Lachs von der Silberplatte gefressen hat. Das ist mir scheissegal. Frauen essen gesund: Lachs, Früchte, Müsli, achten aufs Gewicht, während dem sie einem aus jedem Ring, der einer anderen gehört, einen Strick drehen. Derweil der Mann weiss, das Rührei mit knusprigem Speck dabei, der im eigenen Fett so richtig schwimmt, hilft dir viel besser beim Langlaufen den Berg hoch. So geht gesund und es ist mit der Uhr messbar!

So geschehen und gesehen im Jänner 2021 in Pontresina.

Link zum Fotoalbum

2 thoughts on “LSVB @ Pontresina

  1. also bei «Pia die Zweitletzte, von Gottes Gnaden, das amtierende Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreiches Chrischona, Rührberg bis und mit Inzlinger Wasserschloss, Oberhaupt der LSVB-Gruppe V habe ich am Samstag beim Longrun gesehen» Musste ich laut lachen.
    Woher kommen solche Sprüche? Was war das für Glühwein dort oben?
    LG

Schreiben Sie einen Kommentar