Schneeschuhtrainingstage Wasenalp

19. bis 21. März 2021

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Weil ich verletzungsbedingt nicht mehr verletzt bin, kann ich wieder über sportliche Missgeschicke aussagen. Ich bin wieder mitten drin, statt nur dabei vom Geschehen.
Und das Leben macht wieder Sinn – endlich. Denn nächste Woche beginnt die Formel-1-Saison.
Der Reihe nach. Kandersteg: 30 Minuten Wartezeit meldet der Verkehrsfunk. Auch 30 Minuten brauchst länger, wenn via Fribourg fährst. Kein Zeitverlust, Geld gespart und erst noch und wieder einmal das schöne Geyerzer-Land gesehen. Und dann das Unterwallis hoch, entlang der Strecke, wo wir vor zwei Jahren die Schweiz vom Genfersee zum Bodensee durchliefen. Wie geil war das denn? Alte Erinnerungen und alles was Banschu sonst noch nicht wissen wollte, hab ich ihr vorgetragen. Auch von der Kirche von Raron. Pia hats uns damals eingetrichtert. Die viertälteste barocke Orgel steht da, oder wars ein historischer romanischer Altar? Jedenfalls die Burgkirche in Raron wars. Bei Gampel fuhren wir auch durch, wo, wenn grad nicht Corona herrscht, das Gampel-Festival wäre. Banschus Lieblings-Festival und sie erzählt davon. Schön dabei, bei ihr musst nicht auswendig lernen, so wie bei Pia.

Um 17 Uhr wahr Abmarsch zum ersten Schneeschuhtraining und alle wahren pünktlich da. Nun, nicht alle. Kannst ja den Bericht vom letzten Schneeschuhtrainingslager lesen, dann wirst von selber draufkommen, wer nicht pünktlich war. Ich denke, die zuwiderhandeln extra, die machen alles um an dieser Stelle erwähnt zu werden. Ich habs durchschaut, darum schreib ich hier absichtlich den Namen nicht hin. Die können mich – aber alle anderen waren pünktlich.
Es war eine kleine, einstündige Einführungsrunde. Einige sind zum ersten Mal dabei, sie sollen sich langsam an die Schneeschuhe gewöhnen. Normalerweise endet diese erste Tour beim Bergrestaurant mit Fondue-Essen. Geht nicht, Corona. Wir essen unten bei Henri, dem Gastgeber vom Hotel Ganterwald. Er bietet spitzenmässigen Service und weiss, was der Gast braucht, bevor man ihn frägt. Und anstatt Fondue gibts Raclette, Raclette à Discrétion. In der aktuellen Lage machts keinen Sinn, wenn wir zu viert in einer Käseschüssel unsere Bazillen im Kreis rumdrehen, um sie gegenseitig, im wahrsten Sinne des Wortes, aufzugabeln. Und bevor noch hysterisch wirst, reg dich ab, ich weiss schon, dass SARS-CoV-2 ein Virus, keine Bazille ist. Was für Viren gilt, gilt auch für Bazillen und umgekehrt. Kriegst zuviel davon, wirst krank. Drum haben die Walliser nach dem Fondue ja immer den Sicherheitsschnaps eingebaut. Die impfen sich damit. Der Vorteil zur Corona-Impfung ist, brauchst nicht vier Wochen warten mit der zweiten Impfdosis, die und weitere Dosen gibts sofort. Die Nebenwirkungen spürst am nächsten Tag, aber das ist ja bei Corona nicht anders.
Schori rastete bei der Anreise in Gampel. Beim Käsefäden ziehen bringt er einen Beitrag, von den Sternen die da auf der Strasse von Gampel zu sehen sind, so wie in Hollywood. Ja, tolle Geschichte, hätt er meinen Aufsatz vom Transalp gelesen, wär er gleich selber drauf gekommen, dass er nichts Neues mitteilt. Und falls der nicht lesen kann, habe ich damals extra noch ein Foto mitgeliefert. Ich mach mir die Müh und keiner liest es – Boulevard of Broken Dreams, statt Hollywood-Boulevard mit Walk of Fame. Gut, es gab ja nicht nur Raclette à discrétion, auch Johannisberg und Impfungen à discrétion, das könnte einiges erklären.

Samstag. Das ist wie immer der Mörder-Tour-Tag. Wir starten auf 1700 Meter. Steigen aufs Hohture 2400 Meter. Dann ein Abstieg auf 2000 und wieder hoch auf 2200 Meter zur Bergstation des Skiliftes. Unterhalb vom Wasen-Seeli teilen wir uns auf. Einige nehmen den direkten Weg zum Ziel. Der überraschend grosse Teil kommt mit aufs Hohture. Gleich zu Beginn steigt Königin Pia in die Skitourenspur ein. Alle hinter her. Skitourenläufer nehmen eher nicht so steile Aufstiege, steil können Schneeschuhläufer besser. Aber Skitourenläufer gehen mehr in der Diagonalen, diagonal das können aber Schneeschuhläufer schlechter. Und drum, das war blöd. Deshalb gäbs extra Schneeschuh-Trails. Prächtig mit farbigen Stecken markiert. Für die Queen und ihr Gefolge schreibe ichs hier mal auf. Auf der Wasenalp wachsen keine rosaroten, geraden Bengel. Der Tino vom Skilift hat die da eingeschlagen, weil das wär der Schneeschuh-Trail. Nicht ganz uneigennützig übrigens, denn die Schneeschuh-Trails sind garantiert lawinensicher. Der Tino vom Skilift ist auch der Wirt vom Bergrestaurant, er wird später am Raclette-Rechaud den flüssigen Käs abstreifen. Aber der ist auch bei der Bergrettung und dem stinks einfach, wegen blinden Grüezini ausrücken zu müssen, anstatt Raclette zu verkaufen. Und es gibt Wildschutzzonen und Tino ist auch Jäger. Der weiss schon, was der macht und benutzt – Queen Elisabeth II und allen anderen Queens angemessen – schöne rosa Stecken.
Es war saumühsam. Der Rundumblick vom Hohture belohnt für den ganzen Murks. Nach ausgiebiger Besichtigung der Aussicht, dem Pornorma, folgt der Abstieg. Der ist aber genau so anstrengend, die Kniescheiben wollen davonfliegen. Banchu, im Gegensatz zu mir ohne Trainingsrückstand, war danach ziemlich kaputt. Ich weise sie darauf hin, dass bei diesem Weekend nicht vergebens Trainingstage draufsteht. Wir erreichen Tinos Restaurant «Mäderlicka» und somit dringend nötige Stärkung vom Take-Away-Fenster bei schönstem Wetter.
Wir sprechen von der Burgkirche von Raron. Königin Pia rollt dabei, auf ihre ganz eigene Art, ihrer ganz eigenen Augen, um mir einen Wink zu geben. Ich verstehe. Sie teilt mir so mit, ich sei eine Pfeife. Alles vergessen hab ich. Sie bleibt dabei wortlos. Mit erhabener Anmut kaschiert Meine, Unsere, Ihre Majestät ihren Gram über meine Makel. Ihre königliche Hoheit, Queen Pia die Zweitletzte, von Gottes Gnaden, das amtierende Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreiches Chrischona, Rührberg bis und mit Inzlinger Wasserschloss, Oberhaupt der LSVB-Gruppe V ist gnädig mit ihren Untertanen. Es folgt eine Privataudienz, sie sagt kein garstig Wort, sondern erklärt abermals und geduldig: «Mit Nichten barocke Orgel oder romanischer Altar, der Rilke liegt da begraben.»

Klaus Maria Rilke ein Lyriker und Romancier. Sowas weiss ich doch nicht. Nicht das ich blöd bin, ich bin einfach anders gescheit. Ich weiss, wie hoch die Reifentemperatur eines Formel-1-Autos sein muss. Aber das wissen Königen nicht. Es ist aber wichtig, sonst gewinnst kein Rennen nicht. Ich sah noch nie einen Formel-1-Fahrer vor dem Start noch kurz bei Rilke lesen. Der überlegt nur, wie er die Pneus auf Temperatur kriegt. Dann wird der vielleicht Weltmeister. Und Rilke war nie Weltmeister.

Tino ist beschäftigt, er macht mir grad mein Raclette. Eine Skifahrerin stürzt. Tinos Sohn – auch Bergretter – geht hin. Heute schon wieder: Raclette und Johannisberg – einfach ohne discrétion. So verbringen wir den ganzen Nachmittag da oben. Das Wetter ist zu schön. Und wir haben nur noch den Abstieg zum Hotel vor uns. Eine Stunde gemächlich runter. Dazwischen noch etwas Stärkung mit Pinot Blanc in einer Alphütte. Das musste sein. Private Treffen bis fünf Personen sind erlaubt und wir sind grad fünf. Das nutzen wir aus. Der Gastgeber hat Corona bereits hinter sich und er teilt mit uns Medizin aus seinem Keller. Er impft uns. Derweil der Rest im Hotel staunt, wo wir bleiben. Schlussendlich wars heut insgesamt ein Fussmarsch von teilweise harten 5 Stunden – wie gesagt, es ist Trainingslager.
Am Sonntag steht traditionsgemäss die Abschlusstour in die Schlucht an. Erst eine neue Route steil hoch zur «Mäderlicka», um da den Vormittag ausklingen zu lassen. Tino gibt mir – welch Wunder – Raclette. Grad rechtzeitig. Sein Sohn ist nicht da. Er muss weg, eine gebrochene Schulter zum Heli-Landeplatz fahren. Dann sind auch wir nicht mehr da, weil in Richtung Schlucht auf dem Heimweg.

Pünktlich in Raron gibts eine Pause auf der Burgkirche, wo Rilke liegt. Wo das ist, wer das ist, ich weiss es jetzt. Und 80 bis 100 Grad benötigt ein Formel-1-Reifen zum Funktionieren. Meine Königin kanns jetzt immer hier nachlesen. Es wird sie nicht interessieren. Weil das Leben macht wieder Sinn – endlich, denkt sie – denn sie, sie geht ins Kunsthaus Bilder von Sophie Taeuber-Arp schauen.
Fotos davon zeigt Ihre Majestät im WhatsApp-Status. Schön. Ihre durchlauchte Knoblaucht hat neue Teppiche gekauft, schlussfolgerts bei mir. Dann lese ich Kunstausstellung steht dabei. Lustige Muster in klaren Farben gehalten. Rot, gelb, weiss, grün, blau, hellblau, rosa die ganze Palette. Eigentlich wie die Markierung der Formel-1-Reifen. Das ist eminent wichtig, Ihre Eminenz. Die Farbe kennzeichnet die Gummi-Mischung, hart oder weich, harte Pneus halten länger, weiche sind schneller. Mindesten einmal musst Reifen wechseln. Mindestens zwei verschiedene Mischungen musst im Rennen fahren. Das ist wichtig für Strategie und Taktik, sonst wirst kein Weltmeister nicht.

Was nun die Farben der Bilder, die aussehen wie Teppiche, strategisch bei Sophie bewirken, wird meinesgleichen niemals geistig greifen können. Nur soviel ist klar, Weltmeister wird auch mit bester Taktik Sophie Taeuber-Arp im Leben nie.
Übrigens aus strategischen Gründen können die Schneeschuhtrainingstage nicht breit herum ausgeschrieben werden. Tolle Sache, tolle Teilnehmer, beschränkte Plätze, schnell ausgebucht, letztjährige haben Vorrang. Fehlende Chancen bei dieser Strategie kannst mit kluger Taktik nachhaltig beeinflussen. Gibst mir ein paar Biere aus. Taktisch spielt deren Farbe weniger die Rolle, auf die Menge kommts an. Je Menge desto Chancen, meine Strategie zu überlisten und schon kannst nächstes Jahr mitkommen.
In diesem Sinne: Après-Skischuh-Heil!
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