Dass die Luzerner tolle Marathons organisieren, wussten wir. Und die Camille Blumer weiss das jetzt auch, sie rannte da bei optimalen Wetterbedingungen ihren ersten Halbmarathon.
«Ich will schneller laufen, als meine Schwester!» erklärte sie auf die Frage zum definierten Ziel.
Weil ich selber keine Schwester habe, wusste ich nicht was das heisst. Nachgefragt: Es bedeutete unter 1:45h!
Ich würde sie dabei begleiten, log ich. Denn ich wusste, drauf haben tue ich das nicht. 1:45h wären 7 Minuten schneller als bei meiner Reverenzzeit von vor 14 Tagen. Am Tag der Bescherung präzisierte ich: «Die ersten 10 Kilometern kann ich dir die Pace vorlegen. Danach musst du alleine los ziehen und ich versuche dann hinten irgendwie zu überleben.» Wir waren gut unterwegs. Und die Pace stimmte. Kurs auf 1:43h und alles schön locker. Später Kurs auf 1:42h. Sie locker – ich nicht.
Bei Kilometer 7 war ich mir langsam sicher, dass wir – insbesondere auch ich – die Geschwindigkeit durchziehen können und ich Camille bis zum Schluss begleite. Und ich leckte Blut, denn weit vorne sehe ich den Andy. Eindeutig! Diese krummen Beine gibt’s in einem 10’000-Läuferfeld kein zweites Mal. Und ihn habe ich noch nie an einem gemeinsamen Wettkampf geschlagen. Aber wir kommen näher. Der ist fällig, soviel ist klar. Optisch war Camille nichts anzusehen, doch bei ihrer Antwort auf die Frage des Befindens wusste ich, wie sich der Kerl am Funk der Bodenstation der Appolo-13-Mission fühlte, als der Kommandant vom Raumschiff vermeldet: «Houston, wir haben ein Problem!»
Sie litt, hatte Bauchschmerzen und Übelkeit. Im Gegensatz zu den Kollegen bei der NASA besass ich keine Staubsaugerrohre und -schläuche, Pappschachteln, Drähte und Kleber um an einer Lösung zu basteln. Sie musste da alleine durch. Es half nur verlangsamen. Einfach das Tempo raus nehmen damit sich der Magen wenigstens ein bisschen erholen tun würden können tät. Der tat das aber nicht.

Der gemeine Chauvinist grinst nur arrogant, wenn Frauen über Geburtswehen sprechen und dabei poltern, wie wehleidig sich Männer bei jeder Gelegenheit anstellen. (Da mir meine Mutter ihre Schmerzen bei meiner Geburt öfters vorhält und ich Chauvinist bin, weiss ich worüber ich spreche.) Nun habe ich schon viele Langstreckenläufe bestritten, aber wenn’s mir mal dreckig ging, war bei mir fertig mit durchbeissen und weiter kämpfen. Plan B: Einfach ankommen die Devise. Nur, einfach ankommen gibt es bei Camille nicht. Sie wollte mehr, kämpfte weiter. Bis zum Ende dem Chauvinisten zeigen, wo der Hammer hängt. Sie litt. Sie biss. Grandios. Man hätte sich freuen können. Ich konnte nicht, mir war’s beim Beobachten ums Weinen.
Und zum Schluss ein Endspurt wie bei unseren 1-Minuten-Intervallen. Und wenn ich Spurt schreibe, dann ist das hier keine überspitzte Satire. Auf englisch: Sprint. Neudeutsch: auch Sprint. Deutsch und deutlich: Der Spurt war’s und ich hab’s gesehen, ich war dabei… anfangs jedenfalls. Nur weil ihr ein Fauxpas passierte, konnte ich sie einholen. Sie dachte nämlich beim Eingang zum Verkehrshaus sei das Ziel und hörte da auf mit rennen nur um – als ich heran gehechelt kam – mich schreien zu hören: «Weiter laufen, noch 200 Meter!» Ich Blödmann habe sie nicht darauf hingewiesen, dass das Ziel nicht beim, sondern im Verkehrshaus drin ist. Bei all den Zielbögen war das auch nicht so offensichtlich.
Mission erfüllt: Camille lief in 1h 44m 28s auf den 4. Kategorierang
Sie war saufroh. Ich war saustolz. Und kurz darauf die 1:40h beim nächsten HM unsere logische, beschlossene Schlussfolgerung. Denn wie ich gerne zitiere: Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen? Die Leistungsgruppe beim LSVB ziehe sich schon mal warm an: Wir kommen!
Weitere Ergebnisse:
Sandrine Abgottspon in 1h 26m 34s auf Kategorierang 6 (Huppla! Von wegen warm anziehen: Wenn einer weiss, wie ich aus der Nummer wieder raus komme, bitte melden.)
Luigi Venezia in 1h 40m 48s, Kategorierang 205
Andy Wagner in 1h 41m 30s, Kategorierang 121
Raffaele Disca in 1h 45m 27s, auf Rang 272
Martin Boss in 2h 09m 28s, auf Rang 438

6 thoughts on “Luzern Halbmarathon

  1. Nicht auszudenken, Andy, welche Houston-Kommandos eingegangen wären, wenn du eine Schwester hättest 🙂
    Herzliche Gratulation an Camille, aber auch an die Podest-Läuferinnen vom Brienzerseelauf und allen anderen LSVB-lerInnen, die noch nicht an Winterschlaf denken!

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