Bruno Thoma / August 2011
Mountainman nennt sich die neueste Berglauf-Herausforderung der Schweiz. Nach einer ersten Durchführung im 2010 haben die Organisatoren die Strecke umgekehrt, so dass das Ziel neu auf dem Pilatus ist. Der Start ist in Trübsee am Fusse des Titlis, und es geht via Brünig zum besagten Pilatus.
Wobei, via Brünig ist eigentlich irreführend, denn der Pass Brünig ist in diesem Fall der tiefste Punkt der Strecke. Der Lauf weist ein Profil auf das den Reinhold Messner glücklich stimmen würde. 5000 Höhenmeter wurden in 80km reingepackt, und spätestens hier sollte klar werden wieso das Ding Mountainman Ultra und nicht Alpöhi-Lauf heisst. Der Alpöhi würde nämlich den Quad nehmen.
Nun kenne ich als fleissiger Wanderer die 3 gröbsten Aufstiege der Strecke bereits von früheren Gelegenheiten, so dass ich immerhin wusste was auf mich zukommt. Obschon, den Aufstieg von Brünig nach Schönbüel habe ich vom Brienzer Rothorn her kommend als Abstieg gemacht und mich damals tierisch darüber gefreut dass er so direkt verläuft dass es mir dank einer kurzen Sprinteinlage noch auf den Zug gereicht hat. Und vom Pilatus ist mir ausser einigen Japanerinnen welche unterhalb der Bergstation derart ungelenk in Stöckelschuhen im Geröll rumgestolpert sind dass jedem Vertreter von Künzli-Schuhen oder anderen orthopädischen Hilfsmitteln Freudentränen in die Augen geschossen wären auch nicht mehr viel in Erinnerung geblieben.

Lauf

Am Vorabend fand um 18 Uhr eine Info für die Teilnehmer statt, kombiniert mit Abgabe der Startunterlagen, Gepäckabgabe für Verpflegungsstelle Brünig und Spaghettiessen. Die meisten haben dann in Alpnachstad übernachtet, ich bin weiter mit der Bahn nach Engelberg. Um das Tageslicht optimal auszunutzen findet der Start um 0630 in Trübsee statt, was von Engelberg 5min zu Fuss zur Talstation bedeutet, aber von Alpnachstad 1h mit Bus und Zug. Um halb vier aufstehen muss dann doch nicht sein. Am Start konnte auch das Gepäck abgegeben werden, welches dann direkt zum Pilatus transportiert wurde. Die Bergfahrt mit der Seilbahn in der Morgendämmerung war eine schöne Einstimmung auf den Lauf.
Als Startschuss hat der Organisator eine Rakete abgefeuert, welche mit einem Riesenknall über dem Hotel Trübsee explodierte und vermutlich alle Murmeltiere hier in der Gegend aus den Federn geholt hat. Der Lauf begann mit einem kurzen Abstieg zum See. Wer jetzt denkt ein flaches Stück zu Beginn wäre schön irrt, denn die durchschnittliche Neigung am Mountainman beträgt 12%, und jeder flache Meter macht es eigentlich nur schlimmer denn die Höhenmeter werden so einfach auf weniger km verteilt. Merke – Jeder zurückgelegte Höhenmeter ist ein guter Höhenmeter. Bald ging es in den Aufstieg zum Jochpass, und noch war es schön kühl. Die Gipfel leuchteten orange, ein schöner Tag kündigte sich an. Auf dem Jochpass war bereits der erste Verpflegungsposten, und bald ging es rechts weg in Richtung Tannalp. Hier oben ist Karstgebiet, die Felsen sind tief zerfurcht, und dazwischen gibt es immer mal ein wenig Schlamm.
Auf diesem Teilstück hatte ich dann noch kurz Bodenberührung, da ich beim aus Sicherheitsgründen weiträumigen überholen einer Stockente (einer mit 2 Stöcken, nicht mit Federn) den Grip des nassen Grases arg überschätzt habe. Weiter ging‘s auf dem Wanderweg via Tannalp in ständigem auf und ab nach Planplatten.
Beim ausführlichen Studium des offiziellen Laufprofils hatte ich gesehen dass wenn man alle Anstiege zusammenzählt etwa 1000 Höhenmeter fehlen. Wer nun anhand dieser Tatsache vermutet dass die Strecke mit kleinen Gegenanstiegen übersät sein muss – liegt richtig. Diese kleinen Hügelchen haben teilweise sogar Namen (z.B. Balmeregghorn), sind auf dem Höhenprofil aber kaum zu erkennen. Auf Planplatten war der erste Wechsel für die 4er-Teams, und der Beginn des ersten steilen Abstiegs. Die Berner Alpen waren noch etwas in den Wolken, dafür war die Sicht auf das Brienzer Rothorn perfekt. Das folgende Teilstück kam mir von den letztjährigen LSVBSommerlauftagen bekannt vor, heute blieb aber keine Zeit um Alpkäse zu kaufen.
Weiter ging‘s auf den Gibel hinauf, nichts spezielles, aber es war gerade kein höherer Gipfel zu finden und irgendwie mussten wir ja auf die Höhenmeter kommen. Die Aussicht war fantastisch, einzig der Pilatus war noch durch einen anderen Hügel verdeckt. Im Abstieg zum Brünig war er dann erstmals zu sehen, und auch die restlichen 55km der Strecke. Hier dürfte einigen Läufern mulmig geworden sein, die Luftdistanz beträgt zwar nur etwa 25km, aber wenn man zu Fuss unterwegs ist scheint das seeehr weit. Unsere Aufmerksamkeit wurde aber bald wieder auf die Stecke gelenkt, nach schönen Naturstrassen ging es nun durch von Kühen umgepflügte Alpweiden und via steile Wanderwege runter zum Brünig. Die gut 1000 Höhenmeter brachten die Kniescheiben ordentlich zum vibrieren, und die meisten waren froh als es wieder aufwärts ging.
Auf dem Brünig war grosser Verpflegungsposten angesagt, hierhin konnte man auch Ausrüstung oder Verpflegung schicken. Bei mir beschränkte sich dies auf Cola und Gels, denn offiziell gab es Cola erst ab Glaubenbielen. Ich habe mich rein flüssig verpflegt, und wegen der Hitze habe ich auch nicht mehr als 2 Gels runtergekriegt, so dass Cola und Iso so ziemlich mein einziger Brennstoff waren. Bepackt mit 1.8L Getränken habe ich kurz nach 11 Uhr den längsten Anstieg in Angriff genommen. In diesem Aufstieg schlug die Hitze dann richtig zu. Die ideale Bekleidung wäre gewesen, die Startnummer als Lendenschurz mit einer Schnur um den Bauch zu binden, dazu ein paar Schuhe an den Füssen und eine Mütze und fertig. Hätte eigentlich auch gut zur Mountainman-Thematik gepasst, die Gefahr von Sonnenbrand an unmöglichen Stellen war mir dann aber doch zu gross. So habe ich mit kurzen Trinkpausen an den wenigen schattigen Stellen den Aufstieg hinter mich gebracht und versucht mich vom Anblick des sicherlich wunderbar kühlen Brienzersees nicht allzu sehr demotivieren zu lassen.
Oben bei der Verpflegung war wie beim Swissalpine ein Arzt, der aber nichts zu beanstanden hatte. Seit sie mich damals am Swissalpine fast rausgenommen hätten weil ich, wie immer, bleich im Gesicht war kurble ich die Durchblutung jeweils mit ein paar Ohrfeigen an so dass ich eine gesunde Farbe im Gesicht habe und mir diese mühsamen Fragen erspart bleiben. Schnell die Flaschen aufgefüllt, das Kies aus den Schuhen entleert und runter in den Abstieg nach Glaubenbielen. Langsam änderte sich die Landschaft, wir kamen ins grösste Hochmoor der Schweiz.
Die folgenden 30km waren geprägt von Kiefern, Magerwiesen, Wollgras, gelangweilten Kühen und einigen beinharten Aufstiegen in sengender Hitze. Zum Glück sind die Wanderwege teilweise mit Bohlen ausgelegt, zwar schwierig zu laufen aber sonst wären wir hier im Schlamm versunken. Landschaftlich war dies für mich der schönste Teil der Strecke, aber zum Geniessen war es einfach zu heiss. Dieses Gebiet ist als Vogelparadies bekannt, ausser einer laut schimpfenden Ringdrossel habe ich aber kaum etwas gesehen, die Vögel waren alle irgendwo im Schatten. Immer wieder war der Pilatus zu sehen, und langsam aber sicher kam der Berg näher. Das 10km-Schild war der schönste Anblick des Tages, und bald schon waren wir bei Lütoldsmatt, vor der letzten Steigung.
Diesen Aufstieg habe ich zusammen mit einer Läuferin aus Südafrika zurückgelegt, wir hatten uns unterwegs sicher schon zehn mal gegenseitig überholt und waren beide froh dass es nun endlich kühler wurde. Wir kamen flott voran, für die 850 Höhenmeter haben wir nur 1h20min gebraucht, neben der Strecke blühten massenhaft Enziane (vermutlich Schwalbenwurz- Enziane), im letzten Steilstück haben wir noch einen 2er-Team-Läufer geschnappt und beim gemeinsamen Zieleinlauf lag sogar noch ein lockerer Schlusssprint die Treppe hinauf drin. Die Freude, heil im Ziel zu sein war gross, aber nach all der Schwitzerei unterwegs war es nun zum ersten mal kühl, und die eiskalte Dusche von der ich den ganzen Tag geträumt hatte habe ich gerne gegen eine warme eingetauscht. Bald schon wurde es Abend, und die letzten Läufer kamen ins Ziel. Durch die grosse Hitze hat es leider vielen nicht gereicht, es kamen nur 64% der gestarteten auf den Pilatus. Ich selbst hatte auch nur 2h Reserve auf die Zielschlusszeit, für langsamere Läufer dürfte es auch bei kühleren Temperaturen eine knappe Sache werden, da der Lauf bei Tageslicht absolviert werden muss. Um 20:45 fuhr die Pilatus-Bahn mit einer Schar Läufer und Zuschauer hinunter nach Alpnachstad, wo noch eine kleine Festwirtschaft war. Ich bin aber direkt weiter, solange die paar Liter Cola noch ihre Wirkung entfalteten. Die Temperatur nachts um zehn war immer noch 27°C, und so habe ich auf der Heimfahrt nochmals richtig geschwitzt.

Fazit

Der Mountainman Ultra ist eine echte Bereicherung für die Laufszene in der Schweiz. Die Strecke ist hart, aber technisch nicht sehr schwierig, und zum Ende hin werden die Wege einfacher. Organisation, Gepäcktransport und Wegmarkierung waren schlicht perfekt, alle Verpflegungsposten bestens ausgerüstet, und auch für medizinische Probleme war unterwegs immer gesorgt, Samariter, Sanität und Ärzte waren für uns Läufer da. Die Pflicht-Ausrüstung ist sinnvoll und wurde von den meisten mitgeführt. Im Startpreis waren unter anderem Spaghetti-Party, Fahrten mit Bahn / Bus vor dem Lauf, die Fahrt nach Trübsee und vom Pilatus nach Alpnachstad enthalten, zudem ist der Gepäcktransport vom Start zum Ziel echt gediegen. Die Ultrastrecke ist von der Zeit her nur zu schaffen wenn man einigermassen schnell ist, der Sieger hat zwar nur gut 9h gebraucht, aber mit meinen knapp 13h war ich noch im ersten Drittel, und 2h später war Zielschluss. Unter etwa 600 Höhenmeter/h sollte man im Aufstieg nie fallen, sonst wird es eng. Es gibt aber auch einen Marathon mit Start unterhalb Schönbüel, und auf der langen Strecke Staffeln mit 2 oder 4 Personen. Es ist also für alle etwas dabei. Für mich war der Mountainman sicher mein läuferischer Höhepunkt im 2011. Und – die 3 Punkte für Chamonix kann man immer gebrauchen.

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