Niels, Odin, Tell und andere Geschichten.

Begonnen, nicht zu Ende geschrieben, trotzdem veröffentlicht. Ein Aufsatz aus der Kategorie «Die Unvollendete».
Dass der Niels nicht ganz normal ist, wissen Anita und ich seitdem er sein LSVB-T-Shirt abholte. Zur Anprobe erst mal Oberkörper frei machen. Und eben da war ein Waschbrett aus der Kategorie «nicht normal» zu besichtigen. Anita, der Ohnmacht nahe, schrie nach Riechsalz, derweil mein Unterkiefer beim Aufschlagen am Brustbein ein mittelprächtiges Hämatom hinterliess.
Vom Waschbrett her schlusszufolgern muss der diplomierter Wäschereifachspezialist mit eidgenössischem Fähigkeits- und Sauberkeitsausweis für die ganz grossen Dampfbügelpressen und Mangelmaschinen sein, denke ich. Anita klärt, nein, das «Waschbrett» sei nur eine Metapher, der sei Metall- und Fassadenbauer, ein Konstrukteur. Auf Deutsch: Inscheniör.
Jetzt ist mir alles klar: «Und Metapher ist eine griechische Gottheit. Der Gott der Jagd wahrscheins und pirscht mit Artemis, der Göttin der Jagd, durchs Unterholz der griechischen Mythologie?» Anita verdreht nur die Augen, lässt mich in meinem Dunkel alleine. Wahrscheins ist sie nur beleidigt, weil nicht sie, aber Artemis mit Metapher im griechischen Forst pirscht, denkts in meiner Birne.
Nachdem alle wieder vollständig angezogen sind, gehts ab zum Training. Nicht normal hoch zwei. Das heisst, Niels ist bald ausser Sichtweite, weil losgerannt, dass geölte Blitze neidisch werden, so wie wir. Anita kann nun nur noch mit mir Vorlieb nehmen. Schon wieder Pech gehabt, hat sie.
Andelfingen, wo Niels herkommt, liegt im Zürcher Weinland direkt an der Autobahn Winterthur – Schaffhausen. Man fährt da durch, anstatt abzufahren und die Gegend anzuschauen. Tolle Landschaft. Letztes Jahr, auf dem Weg von Basel nach München, liefen wir da vorbei, drum kenn ichs ein wenig. Äcker, Wälder, Weinberge, Dörfchen, Burgen, hügelig und viele Natur- und Vogelschutzgebiete mit Badeseen. Es wandern Wanderer, Schwimmer schwimmen, Läufer laufen, Fischer fischen, Vögel fliegen. (Ja, sorry, der musste sein.) Und Metapher liegt irgendwo mit Artemis im Schilf.
Im Zürcher Weinland gibt es sogar einen Ort der Dätwil heisst. Nicht zu verwechseln mit Dättwil bei Baden, dem Ursprung aller Dätwiler, Dätwyler, Dättwyler, Dättwieler, Dättwiller, Detwiler, Dettwyler, Dettwiler, Dettwiller…

  • Dättwil kommt von Teto Villare
  • Teto: ein Kelte vom Stamm der Helvetier
  • Villare: lateinisch für Weiler (von Haus, Hof)

Dettwiler, helvetische Recken, die gab es schon tausend Jahre bevor Willhelm Tell unter Zuhilfenahme von Hochstammobst, die Eidgenossenschaft erfocht. Letzterer war Bürger vom urnerischen Bürglen, so auch meine Mutter. Einerseits halb Helvetier, andererseits Wurzeln in Tells Heimatort. Mehr Schweiz wie in mir drin, ist quasi unmöglich. Was das mit Niels zu tun hat? Nichts, vergiss es einfach.
Im Sommer laufen wir mit Niels von Basel nach Biel. Nicht ganz direkt, sonst gäbs keine 100 Kilometer. In Anlehnung an den Bieler 100, 100 Kilometer bis Biel sollens sein. Er wollte wissen, was ich davon halte. «Nicht ganz normal» natürlich, aber gesagt hab ich was anderes. Und dann haben wir verschiedene Strecken angeschaut. Die durch den Jura, via Delémont, Moutier, Pierre Pertuis solls werden.
Um vier Uhr in der Früh ist Abmarsch in Basel. Metapher startet mit Carmen. Sie plant bis Delémont mitzulaufen. Toni startet zeitgleich in Arlesheim und läuft ihnen entgegen. Dani, Niels’ Dozent stösst unterwegs dazu. Wir, die Schwachstromabteilung, laufen in Moutier bei Kilometer 60 los. Mooooment mal! Das sind immer noch 40 zum Laufen, andere schaffen das mit dem Fahrrad nicht.
Diese Geschichte ist schneller zu Ende geschrieben als mir lieb ist. Niels hatte von Beginn weg Knieschmerzen. Beisst sich mit Carmen bis Delémont durch und steigt nach 30 Kilometer mit ihr in den Zug nach Haus. Toni holt uns in Tavannes ein. Dani, begleitet von seiner Frau auf dem Velo, liegt zurück. Alle anderen beenden den Longrun. Toni und ich ziehen allein über Pierre Pertuis, durch die romantische Taubenlochschlucht Richtung Biel. Da angekommen holt uns Dani ein. Er ist ein Teilstück geradelt, um uns einzuholen, derweil seine Frau lief. Zu dritt auf dem drittletzten Kilometer vereint, laufen wir bis an den Bielersee zum Baden.
Nordischer Vorname und Aussehen, gross und rotblond, lassen Niels glatt als Nachfahre von Wikingerkriegern durchgehen. Mit Nachname Höpli dämpft er dann diese Hoffnung dramatisch. Doch, er hat die Lösung. Seine Mutter ist Dänin. Metapher stammt also doch von Eric dem Roten, Halvar von Flake und Hägar dem Schrecklichen ab. Ein echter Normanne, eine Mischung von Tell und Odin. Ein Krieger und Kämpfer. Im wahrsten Sinne des Wortes übrigens, er ist unterdessen in den Kosovo abgehauen, als Offizier bei der KFOR. 18 Monate lang bei denen da zum Rechten schauen.
Und wenn Pech hast, wird nach diesen 18 Monaten an dieser Stelle die Unvollendete zu Ende geschrieben. Mit Vögeln die fliegen und anderen Pointen die genau so flach daherkommen, dass besser die Füss vom Parkett hochhebst.
In diesem Sinne und wie ein Nachfahre von Teto aus Tetovillare – nämlich mein Vater – zu sagen pflegt: Hoch das Bein, die Liebe winkt! (Was soviel bedeutet wie: dumme Sprüche fallen nicht weit vom Stamm!)

1 thought on “Niels

  1. Ach ich vermisse Niels. Würde mich sehr freuen mit ihm wieder mal auf einen Longrun oder im Training dabei zu sein.
    Es gibt nichts was der Typ nicht erreichen kann, geistig ist er immer topfit und gibt nie auf.

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