Expedition ins Kleine Wiesental

Unserer alljährlichen Herausforderung im südlichen Schwarzwald, stellte sich eine, bis auf die Zähne mit Rüstmessern bewaffnete Zweidutzendschaft. Furchtlos. Die nicht vorhandene Furcht bestand darin, dass ob mehreren traumwettermässigen Herbstwochen, der Pilzwildwuchs nicht so wild wuchs. Dem Pilz wo wild wuchs rückte die LSVB-Champignon-Brigade, generalstabmässig geplant und angeführt von André und seinem Feldwebel Antonio auf den Pilzpelz. Eine Gruppe mit Stecheisen bewehrter Ausdauerkampfsportler. Entschlossen bis zum Äussersten und darüber hinaus.

Bis zum Äussersten und darüber hinaus heisst, selbst der gemeine Fliegenpilz durfte sich nicht sicher sein von denen nicht aufgefressen zu werden. Denn eine Kuttel vom Dauerläufer ist vom Darben auf der Langstrecke bestens abgehärtet. So eine Giftmorchel steckt die mit links weg, mal abgesehen vom einen oder anderen zusätzlichen Furz nach dem Verzehr.
Das heisst, unsere Losung lautete: wir werden Pilze finden ohne Rücksicht auf Verluste und wenn wir dabei den Wald, der nach einer Torte benannt wurde, komplett umspaten müssen.

Der Pilz

Der größte bekannte Pilz der Welt ist ein Dunkler Hallimasch. Er befindet sich in einem Naturschutzgebiet in Oregon und wird mit einer Ausdehnung des Myzels über fast Tausend Hektar Wald als das größte bekannte Lebewesen betrachtet. Sein Gewicht wird auf 600 Tonnen geschätzt, sein Alter auf fast 2000 Jahre. Dieser Spruch kommt etwas unglaublich und auch trocken daher, denn er stammt ja nicht von mir. Den haben Wissenschaftler bei Wikipedia aufgeschrieben. Ausser in Oregon gibt’s Pilze im Bier und Brotteig in Form von Hefe, im und auf dem Käs› als Schimmel, an meinen Füss› als Tinea pedis und im Schwarzwäldertortenforst als Steinpilz, Pfifferling, Fliegenpilz, Morchel, Eierschwamm, Bauchwehkoralle (rate mal ob giftig?), Trüffel, Champignons …

Der Pilzsammler

Er geht möglichst unauffällig und unspektakulär durchs Unterholz. Nur nicht auffallen und Konkurrenz anlocken. Er verrät nicht mal seiner Geliebten, wo er seine Fungi findet. Die findet er aber und bringt sie körbeweise aus dem Dickicht. Derweil unsereins hilf- und planlos nach drei Stunden mit einer überschaubaren Anzahl Stielchen mit kleinen, lustigen Hütchen oben drauf auftauchen. Trotzdem liess sich die gemeinsame Ausbeute – was dem aufmerksamen Leser schon nach der Einleitung klar war – durchaus sehen.

Der Pilzbestimmer

André und Antonio sind Pilzkontrolleure, Pilzsammler-Instruktoren und ganz eifach: glatti Sieche. Ähnliche wie Jäger erlegtes Wild auf der Strecke aufreihen, so präsentierten und sortierten sie unser Jagdglück. Sie identifizierten Steinpilz, Rötling, Champignon, Mönchskopf, Schirmling, Ackerling, Röhrling, Pfifferling, Frischling, Feigling und Fiesling. Letztere sind zwar kein Pilze, aber im Gehölz kommen die auch vor. Dabei auch einige ungeniessbare, wie der Knollenblätterteigpilz oder der flugunfähige Fliegenpilz. Von diesem kriegst einen Rausch (meinst könntest fliegen, daher der Name). Bist wie besoffen, einfach ohne zechen. Anders gesagt, er ist gleich giftig wie Alkohol, also doch geniessbar und das Geld fürs Saufen ist auch gespart.
Am meisten Waldgemüse gesammelt, das war ich. Nicht unwesentlich und zurecht stolz, ob der neidischen Blicke der anderen. Das änderte sich dramatisch, als André – kein‘ Scheiss jetzt – einen einzigen Pfifferweissnichtwasling als geniessbar bewertete, alles andere ging auf den Kompost.

Der Pilzkoch

Pilz und Pils, die beiden können gut zusammen. Damit die zusammenfinden, muss erst gekocht werden. Doch unmittelbar nachdem man den einen anhand der blauen Schürze als Küchengehilfen entlarvte, schien es, manch einem sei der Hunger verleidet. Der Gedanke anstatt «guten Appetit» gleich «gute Besserung» zu wünschen, war eine Überlegung wert. Die spürbare Dramatik in diesem typisch schwarzwälder Bauernhaus meinte einer noch aufheizen zu müssen und deklariert: «Er sei zu allem fähig, aber zu nix zu gebrauchen.» Es war eben genannter Hilfskoch. Und ein letztes Sicherheitsrisiko in Pilzform bestand ja auch noch.

Zuerst gab es eine Kürbiscrème-Suppe. Die hat nicht die Küchenhilfe, sondern André selbst und frisch zubereitet. Insofern lag man bei diesem Gericht – zur allgemeinen und spürbaren Erleichterung – schon mal auf der sicheren Seite.
Zum weiteren, äusserst positiven Konsumationsverhalten trug bei, dass die Wirklichkeit im Bewusstsein der Anwesenden Einzug hielt. Nämlich der für die Rezeptur, das Kochen, Anrichten und folglich fürs allgemeine Wohlbefinden verantwortliche Küchenchef ist Antonio, das sogar von Berufs wegen. Jetzt hob sich die Stimmung bis zum Maximum. Der sprichwörtliche Steinpilz fiel manch einem vom Herzen.
Nach der Suppe gab es Salat, mit Dressing sächsischer Machart von Gabi, garniert mit Pilzen und Feigen. Es folgte ein Entrecôte rosa gebraten mit Spätzli und Pilz-Sauce. Viel Pilz-Sauce mit viel Pilz drinne, damit die letzten Bedenkenträger weiterhin skeptisch bleiben durften. Noch nicht aufgekommenem Nörgeln wurde mit dem Kommando aus der Küche (vom Küchengehilfe): «Man könne ja hinterher zwei, drei Sicherheitsschnäpse saufen!», der Stecker gezogen. Es half. Alle stellten sich der Mutprobe. Alles aufgegessen. Es war aussergewöhnlich – sehr gut, besser geht nicht.
Hinterher assen wir Beigen von Desserts und Kuchen. Diverse Teilnehmende haben diese Nachspeisen zubereitet und mitgebracht. Durch diese Vorgehensweise umging man den Risikofaktor Küchengehilfe aufs Neue elegant und erfolgreich. Die Stimmung hob sich noch mehr. Wobei – das könnte ja auch an den Sicherheitsschnäpsen und -bieren gelegen haben.

André  verabschiedete sich mit: „Bis nächstes Jahr!“ Womit sich Steinpilze, Schwämme, Champignons, Champions, alle anderen Pilzköpfe und der gemeine Fliegenpilz nächstes Jahr weiterhin nicht sicher sein können, von uns nicht aufgefressen zu werden.
Merci an André und Antonio – wie gesagt: besser geht das nicht!

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